Eine Landschaft im Wandel: Was uns subfossiler Blütenstaub aus dem Großen Eutiner See (Schleswig-Holstein) verrät*

Das Pollendiagramm für den Großen Eutiner Sees ermöglicht für sein Einzugsgebiet eine Landschaftsrekonstruktion für die letzten mehr als 9000 Jahre:

Am Ende der frühen Warmzeit, dem Boreal, dominierte die Hasel neben der Birke und der Kiefer die lichte Waldlandschaft bis etwa 6800 v. Chr. (1). Danach änderte sich das Waldbild völlig, denn neue Bäume wie die Ulme, Eiche, Linde und die Esche wanderten ein. Zur Zeit des Klima-Optimums während der mittleren Warmzeit, dem Atlantikum, bildete der aus diesen Arten zusammengesetzte Eichenmischwald die vorherrschende Vegetation (2). Auf feuchten bis nassen Böden breitete sich vor allem die Erle aus (3). Mit Ausnahme der Moore und der direkten Seeufer war jetzt die Landschaft mit einem dichten Wald bedeckt. Nichtsdestotrotz deutet das Auftreten von Holzkohlepartikeln im Pollendiagramm darauf hin, dass sich mesolithische (mittelsteinzeitliche) Lagerstätten am Ufer des Sees befunden haben (4). Pollenanalytische Untersuchungen aus der im Großen Eutiner See gelegenen Fasaneninsel zeigen, dass zur selben Zeit diese ebenfalls durch die damaligen Menschen genutzt wurde (1).

Der Waldzustand änderte sich an der Grenze zu der späten Warmzeit, dem Subboreal. Ein scharfer Ulmenrückgang der um 3950 v. Chr. ausklingt, auch „Ulmenfall“ genannt, kennzeichnet diese Zeit (5). Unmittelbar danach während des frühen Neolithikums (Jungsteinzeit) treten sichtbare Anzeichen für menschliche Auswirkungen auf die Naturlandschaft im Pollendiagramm auf. Ein Anstieg der Holzkohlepartikel zusammen mit den ersten Nachweisen von Getreidepollenkörnern weist darauf hin, dass der Wald mit Hilfe des Feuers geöffnet wurde um kleinräumigen Ackerbau zu betreiben (6). Mit der einsetzenden Beweidung auf offenen Flächen um 3650 v. Chr., die durch den Anstieg von Wildgräsern und vor allem durch den Spitzwegerich angezeigt wird, wurde der Wald weiter aufgelichtet und markiert die sogenannte „Landnam Phase“ der Trichterbecherkultur im mittleren Neolithikum (7). Nichtsdestotrotz, der menschliche Einfluss auf die Umwelt war noch sehr gering.
Erst im Verlauf der jüngeren Bronzezeit ab etwa 750 v. Chr. spiegelt ein starker Anstieg von Wildgräsern und Kräutern wie dem Spitzwegerich, Sauerampfer, Beifuß oder der Gänsefußgewächse, weniger betont aber auch von Getreide, zunehmende Waldrodung, Viehwirtschaft und Ackerbau (8). Auch während der nachfolgenden Vorrömischen Eisenzeit bestimmen Äcker und Weiden das Umfeld der Siedlungen. Zu dieser Zeit breitet sich die Heide zunehmend aus und spiegelt damit die fortschreitende Bodenverschlechterung aufgrund intensiver landwirtschaftlicher Nutzung (9). Der deutlich angestiegene anthropogene Druck gepaart mit der einsetzenden Klimaverschlechterung während der Nachwarmzeit, dem Subatlantikum, hatte auch Folgen auf die Zusammensetzung des Waldes. So verschwinden ab etwa 500 v. Chr. die Baumarten Linde und Ulme beinahe aus dem Waldgefüge (10), wohingegen andere besser an das Klima angepasste Bäume einwandern. Die Rotbuche beginnt ihre Massenausbreitung um Christi Geburt. Etwas später etwa um 400 n. Chr. folgte die Hainbuche (11).

Im Verlauf der Römischen Kaiserzeit zeigt das Pollendiagramm einen kontinuierlichen Rückgang der meisten Siedlungszeiger (12). Die darauffolgende Völkerwanderungszeit (VWZ) ist durch eine äußerst siedlungsarme Phase charakterisieret, die sogenannte „Siedlungslücke“, bei der der Wald die aufgelassenen Nutzflächen zurückerobert. Gleichzeitig erreicht die Rotbuche ihren Ausbreitungshöhepunkt um 650 n. Chr. (13).

Zu Beginn des frühen Mittelalters setzen die Siedlungszeiger wieder ein und zeigen in ihrem Verlauf mehrere Phasen slawischer Besiedlung (14). Besonders auf der Fasaneninsel ist die Präsenz von slawischen Siedlern deutlich fassbar. So zeigen hier durchgeführte pollenanalytische Untersuchungen, dass die Insel während der späten Slawenzeit besonders intensiv genutzt wurde, unter anderem als Weideland (2). Zu dieser Zeit verband auch eine hölzerne Brückenkonstruktion die Insel mit dem Festland. Die Existenz einer slawischen Burganlage auf der Insel wird ebenfalls angenommen.
Einen enormen Anstieg erfahren alle Siedlungszeigerkurven aber erst um 1240 n. Chr. während der hochmittelalterlichen Phase des „frühdeutschen Landesausbaus“. Zur selben Zeit spricht ein starker Anstieg von Holzkohlepartikeln, unter anderem auch auf der Fasaneninsel (3), für tiefgreifende Rodungsaktivitäten bzw. Aktivitäten unter Einsatz von Feuer (15). Während dieser Periode tauchen die ersten Nachweise der Kornblume auf, die zusammen mit Roggen darauf hinweisen, dass der Wintergetreideanbau eingesetzt hat. Pollen von Buchweizen, Hanf und Walnuss demonstrieret zudem den Anbau von neuen Kulturpflanzen (16)(4). Die spätmittelalterliche Wüstungsperiode spiegelt sich in dem Pollendiagramm durch eine leichte Zunahme des Waldes wieder (17), bevor dieser jedoch in der Neuzeit und der Moderne erneut stark rückläufig wird und damit eine starke Übernutzung der Landschaft anzeigt (18). Erst in der jüngsten Vergangenheit ist eine Aufforstung mit Nadelhölzern zu erkennen (19).

* Die palynologischen Untersuchungen im Großen Eutiner See wurden im Rahmen des Projektes "Funktionen von Inseln in den Binnengewässern der Holozänen Siedlungslandschaft Schleswig-Holsteins" am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Kieler Universität durchgeführt.